Mitarbeiterbindung: Interview mit Michèle Marbach zu den Faktoren für Employee Retention (2024)

Mitarbeiterbindung Interview mit Michele Marbach ZweiStunden | MaxBrain Blog

Mitarbeiterbindung (Zusammenfassung)

Michèle Marbach, Geschäftsführerin des Weiterbildungsanbieters ZweiStunden – Wissen kurz&bündig und Personalentwicklungs-Expertin diskutiert folgende Faktoren für die Bindung von Mitarbeitenden: 

1. Marktkonforme Löhne,
2. persönliche Wachstumsmöglichkeiten,
3. die Unternehmenskultur,
4. starke Führungskräfte,
5. Anerkennung,
6- Arbeitsumfeld,
7. Work-Life Balance,
8. Job-Sicherheit,
9. «Purpose»,
10. Offene Kommunikation.

Weiterbildung ist der zentrale Faktor, der alle anderen positiv beeinflusst, um die Mitarbeiterbindung zu festigen.

Andrea Anderheggen von MaxBrain (Andrea): Guten Morgen, Michèle! Es freut mich heute sehr, mit Dir über ein weitreichendes und spannendes Thema für alle Unternehmen zu sprechen: Mitarbeiterbindung.

ZweiStunden wird ja von MaxBrain als Kursanbieterin für viele Themen rund um die persönliche Weiterbildung empfohlen. Du hast vermutlich schon mit hunderten, wenn nicht tausenden HR-Spezialistinnen und -Spezialisten zusammengearbeitet. Deine Expertise ist also für die Leserinnen und Leser unseres Blogs sehr relevant. Herzlichen Dank für dieses Interview! 

Michèle Marbach von ZweiStunden: Guten Morgen! Die Freude ist ganz meinerseits! 

Ja, das stimmt: Bei ZweiStunden führe ich schon seit Jahren Gespräche mit Personalleiterinnen und Personalleitern; unter anderem zum Thema Mitarbeiterbindung oder «Employee Retention», wie es heute vielerorts genannt wird. Nicht nur das: Wir bieten ja spezielle Seminare zu diesem und anderen Themen und helfen direkt mit, Mitarbeitende zu inspirieren!

Weiterbildung ist ein entscheidender Faktor für die Bindung von Mitarbeitenden.

Einleitung: Warum Mitarbeiterbindung für Unternehmen wichtig ist

Andrea Anderheggen: Warum ist es für Unternehmen überhaupt wichtig, die Mitarbeiterbindung als Priorität zu setzen?

Michèle Marbach: Mitarbeitende erfolgreich halten ist aus mehreren Gründen wichtig:

Erstens stellt Mitarbeiterbindung sicher, dass die Fachkenntnisse und die Erfahrung von Mitarbeitenden im Unternehmen bleiben und nicht woanders hin abwandern.

Das ist erfolgskritisch, denn das Know-How der Mitarbeitenden stellt in vielen Firmen das wichtigste Kapital dar. Fallen interne Fachkenntnisse dauerhaft oder eine Zeit lang weg, kann ein Unternehmen seine Daseinsberechtigung riskieren.

Zweitens reduziert Employee Retention die Kosten viel stärker, als vielen Führungskräften bewusst ist.

Man berechne, was es kostet, neue Mitarbeitende zu rekrutieren und diese wochen- oder monatelang zu schulen.

Die Herausforderung, Talente zu finden und zu halten, betrifft heute nicht mehr nur einzelne Unternehmen: Viele Branchen leiden heute am Fachkräftemangel oder generell am Mitarbeitendenmangel und haben Mühe, Positionen erfolgreich nachzubesetzen. Der Wettbewerb um Talente ist riesig.

Bei Employee Retention geht es also um weit mehr, als um eine nett gemeinte Wohlfühl-Kultur.

Michèle Marbach – Interview zu Mitarbeiterbindung
«Bei Employee Retention geht es also um weit mehr, als um eine nett gemeinte Wohlfühl-Kultur.»

Die 10 Faktoren für Mitarbeiterbindung

Andrea Anderheggen: Lass uns etwas tiefer in die Faktoren eintauchen, die für die Bindung von Mitarbeitenden ausschlaggebend sind. Welche sind das Deiner Meinung nach?

Michèle Marbach: Das ist eine weitreichende Frage. Je nach Unternehmen gibt es unterschiedliche Antworten. Es hat viel mit der Kultur, der Branche und den Zielen einer Firma zu tun. Trotzdem gibt es häufig wiederkehrende Antworten, wie effektive Employee Retention funktioniert. Die 10 von HR-Verantwortlichen am häufigsten genannten Faktoren sind:
  • Marktkonforme Löhne und/oder sonstige Benefits
  • persönliche Wachstumsmöglichkeiten: Was die eigenen Karriere und die persönlichen Kompetenzen anbelangt,
  • die Unternehmenskultur und die ihr zugrunde liegenden Unternehmenswerte,
  • starke Führungskräfte,
  • Anerkennung für die geleistete Arbeit,
  • ein positives Arbeitsumfeld,
  • eine gesunde Work-Life Balance,
  • Job-Sicherheit generell,
  • der Sinn der eigenen Arbeit für das Unternehmen oder die Gesellschaft, zu Neudeutsch «Purpose» genannt,
  • die offene Kommunikation.

1. Löhne und Mitarbeiterbindung

Andrea Anderheggen: Wie relevant sind denn marktkonforme Löhne wirklich? Es gibt ja viele Menschen, die offenbar Arbeiten bevorzugen, welche vergleichsweise weniger lukrativ, dafür spannender und erfüllender sind?

Michèle Marbach: Ja, das stimmt. Geld ist für viele ab einem bestimmten Punkt gar nicht so wichtig. Das war schon immer so: Menschen streben nach Erfüllung. Geld ist dafür höchstens ein Mittel zum Zweck und auch das nur bis zu einem gewissen Punkt. –

Ausserdem ist in unserer Wohlstandsgesellschaft das eigene Geld etwas, worüber sich die meisten Menschen nicht jeden Tag Sorge machen müssen. Zum Glück.

Trotzdem sind wettbewerbsfähige Löhne grundlegend für die meisten Mitarbeitenden. Denn Mitarbeitende müssen das Gefühl haben, für ihre Fähigkeiten und Beiträge fair bezahlt zu werden.

Nicht nur das: Anerkennung ist ebenfalls sehr effektiv, um Mitarbeitende zu motivieren und an das Unternehmen zu binden. Und die Bezahlung guter Löhne gehört zu den Mitteln, die Unternehmen zur Verfügung stehen, um Anerkennung glaubhaft zu äussern.

Es ist auf Dauer riskant, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zu loben oder zu betonen, wie dankbar man für ihre Arbeit ist, wenn am Ende des Monats ein Lohn ausbezahlt wird, der unter Marktwert oder unter den Erwartungen der Mitarbeitenden steht. Irgendwann dreht sich Anerkennung in Frustration.

Michèle Marbach – Interview zu Employee Retention
«Geld ist dafür höchstens ein Mittel zum Zweck und auch das nur bis zu einem gewissen Punkt.»

2. Persönliche Weiterbildung ist extrem motivierend.

Andrea Anderheggen: Klingt einleuchtend. Wie siehst Du den zweiten von Dir erwähnten Faktor, um Mitarbeitende zu binden, sprich die persönlichen Wachstumsmöglichkeiten?

Michèle Marbach: Persönliche Wachstumsmöglichkeiten sind für die meisten Menschen extrem motivierend. 

Fakt ist: Mitarbeitende bleiben eher, wenn sie erfolgreich sind, oder einen Weg sehen, wie sie sich entwickeln und Karriere machen können.

Der Mensch hat unter allen Lebewesen die grösste Freiheit, sich weiterzuentwickeln. Je mehr Wissen, desto mehr Möglichkeiten. Je mehr Möglichkeiten, desto größer und faszinierender das persönliche Zukunftspotential.

Das Angebot, neue Kompetenzen zu erlernen, um effektiver, einfacher oder schneller zu arbeiten, ist für die Mitarbeiterbindung daher äusserst attraktiv.

Ein Unternehmen, das in die Weiterbildung von Mitarbeitenden investiert, beweist, dass man sich wirklich für das persönliche Wohlbefinden der Mitarbeitenden interessiert. Die Firma kann damit Employee Branding betreiben, um weitere Talente anzuziehen, die ihrerseits den Erfolg einer Firma zu steigern vermögen. Es entwickelt sich eine positive Aufwärtsspirale.

Andrea Anderheggen: Ja, das kann ich so bestätigen. Unsere MaxBrain Kundin, die Firma Zweifel Pomy Chips AG folgt genau dieser Idee, was Employee Branding betrifft, und bietet dafür gezielt eine eigene, sehr inspirierende Firmenakademie an.

Michèle Marbach: Das überrascht mich nicht: Gerade Firmen wie Zweifel, die sich als Top-Arbeitgeber einen Namen gemacht haben, legen viel Wert auf solche Massnahmen.

Im Gegensatz zum vorhin erwähnten Thema Löhne, sind die Interessen der Mitarbeitenden und ihrer Firma, was Weiterbildung betrifft, viel kongruenter: Je produktiver Mitarbeitende dank Weiterbildung arbeiten, desto mehr Wert stiften sie für das Unternehmen.

Weiterbildung ist also etwas, was für Employee Retention eigentlich ein völliger «No-Brainer» ist und heute jedes Unternehmen anbieten sollte.

Andrea Anderheggen: «Eigentlich»? Wieso «eigentlich»?

Michèle Marbach: In der Praxis fällt es vielen Unternehmen schwer, effektive Weiterbildung anzubieten.

Es fängt schon ganz oben an: Die Geschäftsleitung muss sich voll bewusst werden, wie wichtig die Produktivität, folglich die Kompetenzen und folglich die Weiterbildung von Mitarbeitenden ist.

Das ist gar nicht so leicht, wenn man gleichzeitig X Abteilungen zu führen hat, Kund:innen begeistern, wettbewerbsfähige Produkte entwickeln, Shareholders zufriedenstellen oder ständig operative Kleinkrisen bewältigen muss. Selbst wenn man die Bedeutung von Weiterbildung als Geschäftsleitung versteht und wertschätzt, bleibt die Frage, wann man sich dafür Zeit nehmen kann.

Das Problem der Zeit betrifft nicht nur die Geschäftsleitung.

Es geht durch alle Ebenen einer Organisation. Falls ein Team unter Druck steht, eine Deadline für ein Kundenprojekt, einen Verkaufsabschluss oder die Produktentwicklung einzuhalten, bleibt kaum noch Zeit für langfristig wertvolle Weiterbildung.

Kurzfristige Prioritäten stehen dem langfristigen Erfolg oft im Wege.

Zusammengefasst: Weiterbildung muss im hektischen Arbeitsalltag einen festen Platz einnehmen. Sonst funktioniert sie nicht.

Wenn die Zeit dafür freigeschaufelt worden ist, stellen sich sofort weitere Fragen:

Was genau will man mit der Weiterbildung der Mitarbeitenden erreichen? Welche Lerninhalte oder Entwicklungsmassnahmen machen Sinn? Was möchten eigentlich die Mitarbeitenden? Wie organisiert man die Weiterbildung genau? Welche Lernplattform sollte man für eine Firmenakademie oder ein Lernprogramm einsetzen? Wie gelingt es, Lernprogramme möglichst relevant und personalisiert zu gestalten?

Für eine effektive, professionell organisierte Weiterbildung müssen diese Fragen beantwortet werden. Sonst bleibt es bei einem Angebot, für das sich niemand dauerhaft begeistern lässt.

Glücklicherweise gibt es darauf spezialisierte Firmen wie ZweiStunden oder MaxBrain, die für Weiterbildungsinitativen einen entscheidenden Wert beitragen können. In Zusammenarbeit mit talentierten HR-Verantwortlichen und der Geschäftsleitung können so Lernformen entstehen, die den Erfolg einer Firma stark positiv beeinflusst.

Michèle Marbach – Mitarbeiterbindung und Weiterbildung
«Weiterbildung muss im hektischen Arbeitsalltag einen festen Platz einnehmen. Sonst funktioniert sie nicht.»

3. Führungskräfte tragen wesentlich dazu bei, ob Mitarbeitende bleiben oder nicht.

Andrea Anderheggen: Lass uns noch weitere Faktoren für die Bindung von Mitarbeitenden diskutieren. Du hast vorher die Stärke von Führungskräften erwähnt. Was hat das mit der Mitarbeiterbindung zu tun?

Michèle Marbach: Effektive Führung bedeutet, eine klare Richtung vorzugeben, transparent zu kommunizieren, den Mitarbeitenden Vertrauen und Handlungsfreiheit zu schenken und sie für die Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen.

Wenn Mitarbeitende ihre Führungskräfte schätzen und ihnen vertrauen, bleiben sie eher dem Unternehmen verpflichtet.

Man darf nie vergessen, dass es bei Mitarbeitenden und Führungskräften um Menschen geht, die untereinander unterschiedliche Beziehung pflegen. Führungskräfte, die nicht nur fordern, sondern fördern und mit den Mitarbeitenden an einem Strang ziehen, um das Unternehmen erfolgreicher zu machen, inspirieren.

Wie bei Freundschaften fühlen sich Menschen anderen Menschen verpflichtet, denen sie viel zu verdanken haben, die sie mögen oder in deren Gegenwart sie sich gut fühlen. Gute Führungskräfte sind daher imstande, gute Mitarbeitende zu halten.

«Führungskräfte, die nicht nur fordern, sondern fördern und mit den Mitarbeitenden an einem Strang ziehen, um das Unternehmen erfolgreicher zu machen, inspirieren.»
Michèle Marbach – Mitarbeiterbindung und Führungskräfte

4. Ein positives Arbeitsumfeld bindet Mitarbeitende.

Andrea Anderheggen: Das Arbeitsumfeld spielt dabei ebenfalls eine Rolle, nicht wahr?

Michèle Marbach: Absolut. Ein positives Arbeitsumfeld, in dem sich die Mitarbeitenden respektiert, gehört und geschätzt fühlen, kann die Bindung an das Unternehmen signifikant stärken.

Das Arbeitsumfeld wird von vielen Faktoren geprägt: Von einer Kultur der Inklusivität und des Respekts bis hin zur physischen Gestaltung des Arbeitsplatzes.

Das Arbeitsumfeld hängt eng mit allen anderen Faktoren zusammen. Es wird von allen Beteiligten massgeblich gestaltet, von allen Mitarbeitenden gelebt, vom persönlichen Wachstum der Mitarbeitenden gestärkt und von der Unternehmenskultur unterstützt.

5. Work-Life-Balance: Nur mit dem richtigen Gleichgewicht.

Andrea Anderheggen: Wie steht es um das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben?

Michèle Marbach: Die Work-Life-Balance kann von entscheidender Bedeutung sein. Gerät das Gleichgewicht auf die eine oder andere Seite aus den Fugen, hat das oft schlimme Konsequenzen für alle.

Mitarbeitende benötigen Zeit für persönliche Interessen, Familie und sich selbst. Unternehmen, die diese Bedürfnisse respektieren und Flexibilität in den Arbeitszeiten oder Homeoffice-Optionen bieten, haben in der Regel zufriedenere und produktivere Mitarbeitende.

Der Pegel darf jedoch nicht zu stark auf die Seite der persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausschlagen.

Die erfolgreichsten Unternehmen der Welt sind immer noch die, in denen hart gearbeitet wird. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die erfolgreichsten Firmen der Welt, wie Apple, Google, Amazon und wie sie alle heissen, so erfolgreich wären, wenn die Mitarbeitenden dort sich nur um die persönlichen Interessen, Familie oder sich selbst kümmern würden.

Damit möchte ich diese Firmen nicht als Vorbilder anpreisen. Ganz und gar nicht. Aber es ist nun einmal so, dass es in jeder Firma viel Anstrengung und Leistung braucht, um an einem wettbewerbsorientierten Markt erfolgreich zu sein. Unternehmen erfolgreich auf- oder auszubauen, ist kein Spaziergang.

Andrea Anderheggen: Höre ich da nicht doch etwas Kritik?

Michèle Marbach: Ja, man muss eben manchmal daran erinnern, dass von Wenig meistens Wenig kommt und Erfolg gelegentlich etwas Anstrengung erfordert.

Mitarbeiterbindung ist keine Einbahnstrasse. Es braucht von allen Seiten, von den Führungskräften und den Mitarbeitenden gleichermassen ein «Commitment» für das Unternehmen. Sonst ist das Unternehmen am Ende nicht erfolgreich.

Und wenn das Unternehmen nicht erfolgreich ist, was meinst Du, was die Mitarbeitenden dann machen?

Andrea Anderheggen: Sich einen neuen Job suchen?

Michèle Marbach: Ganz genau. – Im Ausdruck «Work-Life-Balance», sollte man deshalb nicht nur «Life», sondern auch «Work» und «Balance» berücksichtigen. Nur so kann das Unternehmen erfolgreich sein, inspirieren und Mitarbeitende halten.

Michèle Marbach – Work-Life-Balance
«Es braucht von allen Seiten, von den Führungskräften und den Mitarbeitenden gleichermassen ein «Commitment» für das Unternehmen. Sonst ist das Unternehmen am Ende nicht erfolgreich.»

6. Job-Sicherheit: Ein grundlegendes Anliegen. 

Andrea Anderheggen: Du hast neben der Anerkennung auch die Job-Sicherheit erwähnt.

Michèle Marbach: Job-Sicherheit ist ein grundlegendes Anliegen. Wenn Mitarbeitende wissen, dass ihr Arbeitsplatz stabil ist, gibt ihnen das die Sicherheit, die sich auf ihre allgemeine Zufriedenheit und Leistung positiv auswirkt.

Der technologische Fortschritt bewegt sich heute schneller als je zuvor. Schon nächstes Jahr könnten die Zukunftsperspektiven vieler Unternehmen radikal anders aussehen und die Job-Sicherheit in Frage gestellt werden.

Andrea Anderheggen: Was kann man denn dagegen tun?

Michèle Marbach: Die Antwort ist einfach: Weiterbildung.

Wenn Mitarbeitende sich weiterbilden, um auf der «Höhe der Zeit» zu bleiben oder die Zukunft sogar mitzuprägen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie helfen, das Unternehmen zukunftsorientiert und flexibel zu gestalten. Und daraus folgt dann für alle eine höhere Job-Sicherheit.

Der Zusammenhang zwischen Job-Sicherheit und Weiterbildung ist ohne diesen Kontext kaum zu erkennen. Weiterbildung war in der Geschichte der Menschheit vermutlich noch nie so wichtig für Job-Sicherheit.

7. Purpose: Ein wichtiger Faktor für Mitarbeiterbindung, aber nicht der einzige.

Andrea Anderheggen: Interessant, ja. Vorhin hast Du erwähnt, dass die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit ebenfalls hilft, Mitarbeitende zu halten. Kannst Du das noch etwas erläutern?

Michèle Marbach: Ja, in der Management-Literatur wird das manchmal neudeutsch «Purpose» genannt. Sehen Mitarbeitende einen Purpose in dem, was sie tun, bleiben sie eher beim gleichen Arbeitgeber.

Insbesondere der Generation Z, also der heute 18 bis 25-jährigen wird ein vergleichsweise starkes Interesse an einem Purpose, an der Wahrnehmung des Wertes der eigenen Arbeit für die Gesellschaft oder für «die Welt» nachgesagt. Unternehmen, die sich nicht für das Wohlbefinden der Gesellschaft oder die Umwelt interessieren und keinen erkennbaren Mehrwert stiften, haben es schwerer, junge Talente zu finden und zu halten.

Der Purpose hat aber seine Grenzen, selbst bei idealistischen Exponenten der Gen Z. Ein Blick auf die meisten Instagram-Profile reicht, um zu sehen, dass das, was man mit Geld kaufen kann, durchaus seinen Stellenwert hat; zum Beispiel schöne Reisen, Erlebnisse, gutes Essen, schöne Kleider. Der Grundsatz, dass man arbeitet, um Geld zu verdienen, ist also bei aller Suche nach einem Purpose sicher nicht gestorben.

Der Purpose kann sich zudem auf andere Aspekte als nur das Produkt oder die Dienstleistung eines Unternehmens beziehen.

Wenn ein Team sehr gut zusammenarbeitet, viel Positives zusammen erlebt oder – im Gegenteil – gemeinsam eine Krise meistert, kann ein starkes Gefühl der Solidarität entstehen. Die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen ist dann die Folge der Bindung an das Team. Das Team wird dann selbst zum Purpose.

« Der Purpose kann sich zudem auf andere Aspekte als nur das Produkt oder die Dienstleistung eines Unternehmens beziehen.»
Michèle Marbach – Purpose

8. Unternehmenskultur: Culture eats Strategy for Breakfast.

Andrea Anderheggen: Das heisst, es lohnt sich, in Team-Building zu investieren?

Michèle Marbach: Ja, oder generell in die Unternehmenskultur und offene Kommunikation.

Es gibt ja den berühmten Spruch des Management-Gurus Peter Drucker:

«Culture eats strategy for breakfast.»

Peter Drucker Culture easts Strategy for Breakfast

Die Unternehmenskultur ist sehr viel wichtiger als jede Strategie und für die Bindung von Mitarbeitenden ein entscheidender Faktor. 

Warum? Weil eine inspirierende, motivierende Unternehmenskultur die Bedingungen dafür schafft, um auf grandiose Ideen zu kommen, die besten Strategien davon abzuleiten und mit Begeisterung daran zu arbeiten.

Eine Unternehmenskultur lässt sich jedoch kaum festsetzen.

Führungskräfte, die versuchen, Unternehmenskulturen schriftlich festzulegen, scheitern fast immer.

Auch Kultur ist vergleichbar mit einer Freundschaft: Sie entwickelt sich dynamisch aus dem Zusammensein von Menschen, aus dem Umgang miteinander und den gemeinsamen Zielen. Man kann nicht «abmachen», welche Unternehmenskultur man hat. Man lebt Kultur, oder eben nicht.

Kommunikation spielt natürlich ebenfalls eine zentrale Rolle. Will man mit allen immer offen über alles, Höhen und Tiefen, kommunizieren, oder lieber nur in kleinen, effizienten Teams? Das ist keine einfache Frage und sehr davon abhängig, in welchen Branchen man arbeitet und wie gut Mitarbeitende mit Informationen umgehen können.

Wenn man sich die stärkere Bindung von Mitarbeitenden zum Ziel setzt, ist sicher eher die offene Kommunikation zu empfehlen.

«Eine inspirierende, motivierende Unternehmenskultur schafft die Bedingungen, um auf grandiose Ideen zu kommen, die besten Strategien davon abzuleiten und mit Begeisterung daran zu arbeiten.»

9. Offene Kommunikation: Von Fall zu Fall zu entscheiden.

Michèle Marbach: Kommunikation spielt natürlich ebenfalls eine zentrale Rolle. Will man mit allen immer offen über alles, Höhen und Tiefen, kommunizieren, oder lieber nur in kleinen, effizienten Teams? Das ist keine einfache Frage und sehr davon abhängig, in welchen Branchen man arbeitet und wie gut Mitarbeitende mit Informationen umgehen können. 

Wenn man sich die stärkere Bindung von Mitarbeitenden zum Ziel setzt, ist sicher eher die offene Kommunikation zu empfehlen.

10. Weiterbildung prägt alle Faktoren für Mitarbeiterbindung. 

Andrea Anderheggen: Zum Ende dieses Interviews möchte ich noch kurz auf eine Bemerkung eingehen, die Du am Anfang gebracht hast: Dass nämlich all die Faktoren, um Mitarbeitende zu binden, direkt oder indirekt durch das Weiterbildungsangebot einer Firma beeinflusst werden. Als Anbieter der MaxBrain Lernplattform geben wir der Weiterbildung natürlich einen hohen, unternehmerischen Stellenwert. Und als Geschäftsführerin von ZweiStunden dürftest Du ähnlich «ticken» wie wir in dieser Frage.

Mich würde trotzdem interessieren, wie du darauf kommst, dass alle Faktoren für die Bindung von Mitarbeitenden durch Weiterbildung positiv geprägt werden.

Michèle Marbach: Danke, ja, mit dieser Frage hab ich natürlich gerechnet.

Man kann tatsächlich die Weiterbildung als zentralen Faktor für die Mitarbeiterbindung sehen. Denn es lassen sich alle anderen Faktoren durch Weiterbildung massgeblich und positiv beeinflussen.

Wir bei ZweiStunden arbeiten täglich daran, dass Menschen ihre Stärken und Fähigkeiten authentisch leben und dadurch gegenseitig einen wohlwollenden Umgang auf Augenhöhe praktizieren. Unsere Vision ist es, dass wir dadurch die Welt nach und nach zu einem besseren Platz für uns alle machen.

Michèle Marbach – Weiterbildung als zentraler Faktor für Mitarbeiterbindung
«Man kann tatsächlich die Weiterbildung als zentralen Faktor für die Mitarbeiterbindung sehen. Denn es lassen sich alle anderen Faktoren durch Weiterbildung massgeblich und positiv beeinflussen.»

Konkret lässt sich das auch gut anhand der vorhin aufgeführten 10 Punkte erklären: 

1. Löhne: Je besser die Weiterbildung, je kompetenter eine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter ist, desto mehr Wert schafft sie oder er für das Unternehmen. Und je mehr Wert für das Unternehmen, desto mehr Lohn lässt sich rechtfertigen.

2. Persönliche Wachstumsmöglichkeiten: Hier spielt die Weiterbildung natürlich eine direkte und evidente Rolle. Wer sich weiterbildet, wächst und erschliesst sich neue Möglichkeiten.

3. Du ahnst es: Unternehmenskultur und Weiterbildung gehen aus ähnlichen Gründen ebenfalls Hand-in-Hand. Eine Kultur, in der Mitarbeitende fachlich und persönlich brillant sind, ist automatisch stärker, inspirierender und erfolgreicher. – Umgekehrt ist Weiterbildung ein Bedürfnis, das sich aus einer Lernkultur heraus ergibt, die im heutigen Marktumfeld für jedes Unternehmen empfehlenswert – um nicht zu sagen: überlebensnotwendig – ist.

4. Starke Führungskräfte: Menschen führen will gelernt sein. Natürlich gibt es Persönlichkeiten, denen Führung eher liegt als anderen. Aber Management ist eben ein Handwerk, mit Regeln, Tücken, Potentialen. Und je schneller man dieses Know-How über Weiterbildung – etwa effektiven Management-Kursen lernt –, desto schneller stellt das Unternehmen sicher, dass die Qualität des Managements hervorragend ist.

5. Anerkennung für geleistete Arbeit: Hier spielt Weiterbildung gleich mehrere Rollen: Um überhaupt gute Arbeit leisten zu können, kann Weiterbildung entscheidend sein. In der Weiterbildung lernen Mitarbeitende oft besser zu verstehen, was sie leisten müssen, um einen echten Wert für ihre Kundschaft, für das Unternehmen oder andere Mitarbeitenden zu schaffen. Idealerweise ist Anerkennung dann das Resultat einer umfassenden Sicht, die weit über die persönliche Selbstwahrnehmung geht.

6. Die Chancen, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, steigen dank guter, fachlicher und persönlicher Weiterbildung automatisch. Das stellen wir immer wieder nach unseren Kursen und im Feedback seitens HR-Verantwortlichen fest.

7. Die gesunde Work-Life Balance wird durch Weiterbildung ebenfalls gefördert. Wer mehr weiss, kann meist schneller arbeiten und sich folglich mehr Zeit für anderes nehmen. Effektive Weiterbildung kann persönlich dazu inspirieren, mehr zu leisten und die «Balance» auch im Hinblick auf «Work» verbessern.

8. Was Job-Sicherheit anbelangt, habe ich den Zusammenhang mit Weiterbildung vorher schon kurz erklärt. In einer von Innovationen und neuen Technologien getriebenen Weltwirtschaft ist es für Unternehmen enorm wichtig, Mitarbeitenden zu helfen, auf der Höhe der Zeit zu sein oder die Zukunft sogar mitgestalten zu können. Und das wiederum schafft auf Dauer die Job-Sicherheit, die es braucht, um Mitarbeitende zu halten.

9. Purpose, das Finden eines Sinnes in der eigenen Arbeit, wird durch Weiterbildung ebenfalls gestärkt. Denn effektive Weiterbildung verbessert idealerweise beides: Die fachlichen und die persönlichen Kompetenzen. Und diese wiederum helfen, Arbeit und Kolleginnen und Kollegen besser zu verstehen, effizienter zusammen an gemeinsamen Zielen arbeiten und toleranter zu werden, wenn es einmal nicht 100% nach Plan läuft.

10. Eine offene Kommunikation wird durch Weiterbildung gefördert, die sich gezielt mit Sprache, Präsentation und eben Kommunikation beschäftigt. Bei ZweiStunden bieten wir beispielsweise einen Kurs an, mit dem Titel «Klare Sprache: Bringen Sie’s auf den Punkt!».

Der Kurs bringt Teilnehmenden in zwei Stunden bei, wie man sich durch klare Botschaften Gehör verschafft. Der Kurs ist sehr beliebt und hat meist eine sofortige, positive Wirkung auf die Kommunikationsfähigkeiten der Teilnehmenden zur Folge.

Andrea Anderheggen: Wow, ja, alles voll auf den Punkt gebracht, getreu dem ZweiStunden Motto: «Wissen kurz & bündig». Liebe Michèle, vielen Dank für dieses sehr aufschlussreiche Gespräch über Mitarbeiterbindung. Es ist ein vielschichtiges, spannendes Thema, das eine stärkere Aufmerksamkeit von Unternehmen absolut verdient.

Michèle Marbach: Ja, das Halten von Talenten ist in der Tat entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens. 

Ich möchte mich ebenfalls ganz herzlich bei den Leserinnen und Leser, MaxBrain und Dir bedanken. Es bereitet mir viel Freude, über dieses wichtige Thema zu sprechen und ich hoffe, dass Sie mit diesem kurzen Einblick die eine oder andere Idee mitnehmen können.

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